Geschrieben am Sonntag 27 Dezember 2015 um 19:30 von Roland Freist
Die Filme der "Star Wars"-Reihe haben eine eigene Mythologie begründet,
bevölkert von Prinzessinnen, Ritterorden, Bewohnern fremder Welten,
Androiden und einer seltsamen, nahezu unerklärlichen Macht, welche
einige dieser Wesen in sich tragen. Doch sind das keinesfalls die
originären Erfindungen von George Lucas, der hat nämlich beim Schreiben
des Drehbuchs nicht nur die europäische Mythologie geplündert, sondern
sich zudem auch an zahlreiche Szenen aus älteren Filmen erinnert. Den
Beweis liefert das folgende Video des Filmemachers Kyle
Kallgren, das den ersten Film der Reihe, "Star
Wars – Episode IV: Eine neue Hoffnung" nacherzählt, ohne
dabei auch nur ein einziges Bild oder einen einzigen Sound aus dem
Original zu verwenden.
Geschrieben am Sonntag 20 Dezember 2015 um 23:03 von Roland Freist
Eine Liebesgeschichte aus den 50ern
Als Patricia Highsmith 1953 ihren zweiten Roman mit dem Titel "Salz und
sein Preis" abgeschlossen hatte, traute sie sich nicht, ihn unter ihrem
eigenen Namen zu veröffentlichen. Stattdessen stand auf dem Umschlag das
Pseudonym Claire Morgan. Und obwohl das Buch ein großer Erfolg wurde,
outete sich Highsmith erst in den 80er Jahren als die wahre Verfasserin.
Kein Wunder, denn der Roman behandelt ein Thema, das in den 50er Jahren
noch weitgehend tabu war, nämlich die Liebe zwischen zwei Frauen. Todd
Haynes ("Velvet
Goldmine") hat ihn nun unter dem Titel "Carol" in die Kinos
gebracht.
Ich habe das Buch nicht gelesen und weiß daher nicht, inwieweit die
Verfilmung der literarischen Vorlage entspricht. Der Film verzichtet
jedenfalls auf flammende Appelle gegen die Unterdrückung von
Homosexualität in der amerikanischen Gesellschaft. Stattdessen erzählt
er eine einfache Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen und zeigt, welche
Auswirkungen eine solche Beziehung damals haben konnte.
Therese (Rooney Mara, "Verblendung")
ist Verkäuferin in einem New Yorker Kaufhaus, Carol (Cate Blanchett) die
Frau eines reichen Unternehmers, mit dem sie eine kleine Tochter hat.
Zum ersten Mal begegnen sie sich kurz vor Weihnachten in der
Spielwarenabteilung, es ist vermutlich das Jahr 1952. Ganz langsam und
tastend beginnen sie, sich einander anzunähern. Sie sind vorsichtig,
keine von beiden ist sich sicher, ob die andere genauso empfindet wie
sie selbst. Und etwas zu sagen, wagen sie beide nicht. Nicht so sehr,
weil sie Angst vor den Reaktionen ihrer Umwelt haben – so wie der Film
es darstellt, war New York auch damals schon ein recht liberales
Pflaster –, sondern vor allem, weil sie sehr verschieden sind: Therese
ist jung, schüchtern, sie lebt in einfachen Verhältnissen und weiß noch
nicht, was sie mit ihrem Leben machen soll. Carol dagegen ist
schätzungsweise 20 Jahre älter als sie, mondän, glamourös, selbstsicher.
Das Geld ihres Mannes ermöglicht ihr ein Leben im Luxus, sie trägt teure
Kleider, auffälligen Schmuck und lässt sich von einem Chauffeur in die
Stadt fahren.
Carol lebt seit einiger Zeit in Scheidung. Sie hat zuvor bereits
lesbische Beziehungen gehabt, das weiß auch ihr Mann. Sie ist die
Verführerin in dieser Beziehung, und Therese erkennt mehr und mehr, dass
sie mit ihr zusammen sein will. Sie ist ein hübsches Mädchen und hat
daher ein paar männliche Verehrer. Doch als sie sich in Carol verliebt,
weiß sie, dass dies das Richtige für sie ist. Nach den
Weihnachtsfeiertagen beschließen die beiden Frauen dann, zusammen in
Urlaub zu fahren. Doch Carols Noch-Ehemann Harge (Kyle Chandler) will
sich nicht so einfach ausbooten lassen. Er schickt Carol und Therese
einen Detektiv hinterher, der das Paar beobachtet. Anschließend erpresst
Harge seine Frau mit den abgehörten und aufgezeichneten
Schlafzimmergesprächen und droht, ihr das Sorgerecht für die gemeinsame
Tochter entziehen zu lassen.
"Carol" würde auch mit einem heterosexuellen Paar funktionieren. Das
Besondere an diesem Film ist zum einen, dass er die Normalität einer
lesbischen Liebe betont, die sich in Nichts von der zwischen Mann und
Frau unterscheidet. Und zum anderen ist es einfach ein sehr schöner,
ruhiger und langsamer Film über die Liebe. Er verzichtet bewusst darauf,
zusätzliche Nebenhandlungen und Dramatik einzubauen, und konzentriert
sich stattdessen auf seine beiden Hauptfiguren, wobei die Geschichte
während der ersten beiden Drittel aus der Sicht von Therese erzählt
wird, erst im Schlussdrittel und nach dem gemeinsamen Ausflug wechselt
die Perspektive zu Carol.
Dennoch wurde Cate Blanchett für ihre Darstellung für einen Golden Globe
für die beste Hauptrolle nominiert, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch,
dass sie auch auf der Vorschlagsliste für den Oscar auftauchen wird.
Verdient hätte sie den Preis, keine Frage. Ihre Carol ist eine Frau, die
gelernt hat, hinter einer Maske zu leben, die sie niemals ablegt. Es
gibt immer wieder Momente, Szenen in diesem Film, in denen das perfekte
Bild, das sie abgibt, leichte Risse bekommt und ihr Innenleben
durchscheinen lässt. Und Rooney Mara steht ihr in nichts nach. Wie sie
im Laufe des Films immer sicherer wird und beginnt, ihre eigenen
Entscheidungen zu treffen, was sich dann auch in ihrer Haltung und ihrem
Umgang mit anderen Menschen ausdrückt, das ist schon toll gespielt.
"Carol" ist ein einfacher Liebesfilm, der zufällig von der Beziehung
zwischen zwei Frauen handelt. Es ist kein großer, aufsehenerregender
Film, doch genau damit wird er seinem Thema am besten gerecht.
Geschrieben am Samstag 19 Dezember 2015 um 17:10 von Roland Freist
Auf der Suche nach Mr. Luke
"Star Wars" ist mehr als eine Filmreihe, es ist ein Mythos. Der erste
Film gehört zu den einflussreichsten Werken der Filmgeschichte, das gilt
sowohl für die Machart, die Handlung und Figuren wie auch für die
technische Umsetzung, bei der George Lucas seiner Zeit weit voraus war.
Gleichzeitig markiert der Film ganz nebenbei auch noch den Beginn des
professionellen Merchandising und den Beginn des heutigen
Blockbuster-Kinos mit seinen Milliarden-Umsätzen.
Blickt man auf die Geschichte der Filme und ihre Wirkung auf die
Popkultur zurück, so wird deutlich, welches Risiko es bedeutete, einen
weiteren "Star Wars" zu drehen. Nahezu jeder Erwachsene, der in einem
westlichen Industriestaat aufwuchs und heute nicht älter als, sagen wir
mal, 60 Jahre ist, kennt Luke Skywalker, Darth Vader, Yoda, Prinzessin
Leia, Han Solo, R2-D2 und C-3PO und die ganzen anderen Charaktere, viele
sind in der Lage, ganze Dialogzeilen zu rezitieren ("Dieses Schiff
machte den Korsalflug in weniger als 12 Parsec") und die Bezeichnungen
von Planeten und Raumschiffen herzusagen. Für viele sind diese Filme
Teil ihrer eigenen Geschichte, und es war klar, dass sie äußerst
empfindlich reagieren würden, wenn man ihre Erinnerungen an die Figuren
und die Handlung zerstören würde.
Regisseur J. J. Abrams hat bei "Star Wars: Das Erwachen der Macht" alles
getan, um den Mythos nicht zu beschädigen. Das hat zwar dazu geführt,
dass der Film nicht so gut geworden ist, wie er hätte sein können. Doch
auf der anderen Seite besteht kein Zweifel daran, dass es eines der
finanziell erfolgreichsten Filmwerke aller Zeiten werden wird, weshalb
einige Personen auf der Vorstandsetage bei Disney vermutlich deutlich
ruhiger schlafen werden. Und den Reaktionen im Netz zufolge sind selbst
die Hardcore-Fans mit dem Ergebnis ganz zufrieden.
"Das Erwachen der Macht" spielt etwa 30 Jahre nach dem Ende von "Episode
VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter". Luke Skywalker
ist verschwunden, niemand weiß wohin. Aber alle sind auf der Suche nach
ihm, auf der Seite der Guten die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy
Ridley), der desertierte, ehemalige Stormtrooper Finn (John Boyega) und
der Droide BB8, der aussieht wie ein Fußball mit Hütchen und in seinem
Speicher eine Karte verbirgt, die angeblich den Weg zu Skywalkers
Aufenthaltsort weist. Sie werden bald unterstützt von Han Solo (Harrison
Ford) und dem Wookie (Peter Mayhew), die sie wiederum beim Widerstand
einführen, wo immer noch Prinzessin Leia (Carrie Fisher) das Zepter
schwingt, die allerdings mittlerweile lieber "General" genannt werden
will.
Aber auch die Bösen suchen nach Skywalker. Nach dem Zerfall des
Imperiums hat sich eine neue Organisation namens Erste Ordnung gebildet,
angeführt von einem Wesen namens Snoke (Andy Serkis in einer weiteren
Monsterrolle), und dem Darth-Vader-Lookalike Kylo Ren (Adam Driver). Sie
bekämpfen die Neue Republik und wollen verhindern, dass eine neue Kaste
von Jedi-Rittern entsteht.
Um die Fans nicht zu verschrecken, hat sich Abrams für den konservativen
Weg entschieden: Für die Fortsetzung der Saga hat er Szenen und
komplette Einstellungen aus den vorangegangenen Filmen kopiert, vor
allem aus Episode
IV. Alles ist wieder da: Der Wüstenplanet mit dem frustrierten
Jugendlichen, in diesem Fall Rey, der Millennium Falke, die Bar mit den
außerirdischen Musikern, die X-Wing-Jäger, Sternenzerstörer, der
Todesstern, Lichtschwertkämpfe, C-3PO und R2-D2 (aus heutiger Sicht eine
Art früher Computer-Nerd), der Rebellen-Offizier mit den Fischaugen,
sogar die komplette Eingangssequenz inklusive Musik und Laufband.
Teilweise wurden sogar die, nun ja, Luftkämpfe zwischen den Rebellen und
den Schiffen des Imperiums bis ins letzte Flügelwackeln noch einmal
nachgedreht. Abrams und sein Drehbuchautor Lawrence Kasdan hatten noch
nicht einmal Hemmungen, den Vater-Sohn-Konflikt von den Originalen zu
übernehmen, wenn auch die Konstellation dieses Mal eine andere ist. Über
weite Strecken funktioniert der Film wie ein Star-Wars-Quiz: Man sitzt
im Kino und fragt sich, welche Szene da schon wieder kopiert wird. Etwas
mehr Mut, wie ihn Abrams bei der Wiederauflage von "Star
Trek" gezeigt hat, hätte dem Film sicher gutgetan.
Auf der anderen Seite ist "Das Erwachen der Macht" brillante
Unterhaltung und auch ein unwiderstehlicher Verführer. Er erweckt die
alten Erinnerungen wieder zum Leben und man fühlt sich wohl. Zumal er
technisch und erzählerisch souverän und auf höchstem Niveau agiert – das
Tempo der Schnitte wurde an die heutigen Sehgewohnheiten angepasst, die
Actionszenen sind perfekt choreographiert, die Einleitung ist genauso
lang wie sie sein soll, es kommt keine Minute Langeweile auf. Die Bilder
der Raumschiffe, Gebäude und Waffen sind detailreicher als bei den
früheren Filmen, es gibt zahlreiche neue, originelle Nutz- und
Raubtiere. Abrams hat jedoch wohlweislich darauf verzichtet, die Special
Effects zu sehr in den Vordergrund zu stellen, sein Augenmerk gilt den
Charakteren und der Story. Die 3D-Darstellung ist allerdings mal wieder
überflüssig. In Erinnerung bleibt lediglich ein Bild von einem
Sternenzerstörer, der in den Kinosaal hineinzuragen scheint. Alles
andere hätte in hellerem 2D genauso seine Wirkung entfacht.
Die darstellerischen Leistungen sind durchwachsen. Harrison Ford wirkt
in einigen Szenen wie ein bereits etwas trotteliger Opa, und man hat
oftmals den Eindruck, dass er nicht mehr viel Begeisterung für diese
Rolle aufbringen konnte. Die junge und bislang weitgehend unbekannte
englische Schauspielerin Daisy Ridley, die neue Hauptfigur der Reihe,
spielt dagegen sehr überzeugend eine junge Frau, die gelernt hat, sich
als Waise allein in der Welt durchzusetzen. Ihr Sidekick John Boyega als
Finn hingegen fremdelt noch ein wenig mit seiner Rolle. Doch das
Potenzial ist eindeutig da. Unter den Nebenfiguren fällt noch Oscar
Isaac ("Inside
Llewyn Davis") als Rebellenpilot Poe Dameron angenehm auf,
Isaac kann hier mal wieder seinen grandiosen Charme entfalten.
"Das Erwachen der Macht" ist deutlich besser als die Episoden I bis III,
die sich zwar ebenfalls bei den Originalen bedienten, jedoch niemals
deren Ausstrahlung erreichten. Im Unterschied zu ihnen fühlt sich der
siebte Teil wieder an wie die ersten drei Filme aus den 70er und 80er
Jahren, er wirkt auch frischer und insgesamt so, als wären da einige
echte Fans an die Sache herangegangen. Zudem hat Abrams auch ein
deutlich besseres Gespür für die Gestaltung emotionaler Szenen als
George Lucas, was insbesondere bei der Begegnung von Han Solo und Leia
deutlich wird.
Disney hat vor drei Jahren für mehr als vier Milliarden Dollar Lucasfilm
übernommen. Dieses Geld soll natürlich wieder hereinkommen und möglichst
auch vermehrt werden, und dafür hätten sie sich keinen Besseren als J.
J. Abrams suchen können. Wie kein zweiter Regisseur derzeit ist er in
der Lage, Kinomythen zu revitalisieren, das hat er nicht nur bei "Star
Trek", sondern auch bei der Steven-Spielberg-Hommage "Super
8" gezeigt. "Das Erwachen der Macht" ist bislang sein
Meisterstück. Der Film zeigt aber auch, dass das Konzept auch Grenzen
hat und einen Verzicht auf Originalität und Eigenständigkeit mit sich
bringt.
Geschrieben am Freitag 11 Dezember 2015 um 17:22 von Roland Freist
David Lynch ist einer der interessantesten Regisseure der letzten
Jahrzehnte, der nicht nur mit Filmen wie "Blue
Velvet" oder "Mulholland
Drive" das Publikum verstörte, sondern mit "Twin
Peaks" auch Fernsehgeschichte schrieb. Das folgende Video des
Filmkritikers Kevin
B. Lee versucht, den speziellen Stil von Lynch zu ergründen.
Veröffentlicht wurde es von dem auf Filme abseits des Mainstream
spezialisierten Online-Videodienst Fandor.
Geschrieben am Donnerstag 03 Dezember 2015 um 23:26 von Roland Freist
Aufmarsch an der Glienicker Brücke
"Bridge of Spies" ist der beste Spielberg-Film seit vielen Jahren,
meiner Ansicht nach seit "München", und der kam bereits 2005 auf die
Leinwand. Es ist ein Alterswerk, langsam und nachdenklich, aber dennoch
voller Spannung und zudem toll gespielt.
Spielberg arbeitet hier mal wieder mit Tom Hanks zusammen, der dieses
Mal die Rolle des Rechtsanwalts James B. Donovan einnimmt. Er soll den
Sowjetspion Rudolf Abel (Mark Rylance) verteidigen, der in einer
eindrucksvollen Eingangssequenz gerade vom FBI festgenommen wurde. Wir
schreiben das Jahr 1957, und der Kalte Krieg ist in vollem Gange.
Donovan ist eigentlich spezialisiert auf Versicherungsrecht, und es
bleibt etwas im Unklaren, wie man ausgerechnet auf ihn gekommen ist.
Doch auf Bitten seines Kollegen (Alan Alda) übernimmt er den Fall.
Abel ist ein großer Fisch, vermutlich ein KGB-Oberst, und ein absoluter
Profi. Er verrät kein Wort über seine Aufgaben, seine Erfolge, nicht
einmal wo er herkommt erfahren die CIA-Agenten, die ihn befragen. Doch
es ist offensichtlich, dass er ein Spion ist. Donovan beginnt sich für
ihn zu interessieren, und er ist zudem der Auffassung, dass jeder Mensch
das Recht auf eine angemessene Verteidigung hat. Also gibt er vor
Gericht sein Bestes. Zwar bekommt er Abel nicht frei, doch er kann
verhindern, dass er zum Tod auf dem elektrischen Stuhl verurteilt wird.
Gleichzeitig wird in einer Parallelhandlung einigen amerikanischen
Militärpiloten ein neuer Flugzeugtyp vorgestellt, die U2. Sie kann bis
auf eine Höhe von 70.000 Fuß steigen (etwa 21.000 Meter) und hat
hochauflösende Kameras an Bord, mit denen sich Panorama-Aufnahmen des
überflogenen Gebiets machen lassen. Die Air Force glaubt, dass die U2
das perfekte Aufklärungsflugzeug zum Ausspionieren der Sowjetunion ist,
da sie in dieser Höhe nicht entdeckt werden kann. Dennoch werden die
Piloten angewiesen, bei einem Defekt oder Abschuss das Flugzeug in die
Luft zu sprengen und sich selbst mit einer vergifteten Nadel
umzubringen. Doch als dann tatsächlich eine Maschine von einer Rakete
getroffen wird, katapultiert sich der junge Pilot Gary Powers (Austin
Stowell) mit dem Schleudersitz hinaus und wird von den Russen gefangen
genommen.
Mittlerweile schreibt man das Jahr 1961. In einer weiteren Nebenhandlung
wird der amerikanische Student Frederic Pryor (Will Rogers) am Tag des
Mauerbaus in Ostberlin verhaftet. Donovan wird von der CIA gebeten, nach
Ostberlin zu fliegen und mit der Sowjetunion über einen Austausch von
Abel gegen Powers zu verhandeln. Als er von Pryor hört, beschließt er,
auch ihn freizubekommen. Als Verhandlungsführer der DDR sitzt ihm dabei
der Ostberliner Rechtsanwalt Wolfgang Vogel (Sebastian Koch) gegenüber.
Der zentrale Satz des Films lautet "Jeder Mensch ist wichtig", und
Donovan sagt ihn zwei Mal. Einmal als Begründung, warum er Abel mit
allen Mitteln seiner Kunst verteidigen will, beim zweiten Mal
rechtfertigt er damit seine Bemühungen um die Freilassung von Pryor, der
der CIA eigentlich egal ist. Der Satz hält den Film zusammen, der
ansonsten in zwei Teile zerfallen würde, nämlich die Geschichte der
Verteidigung von Abel und die Verhandlungen mit der UdSSR und der DDR in
Ostberlin. Interessanterweise sind die Verhandlungen rund um Rudolf Abel
der deutlich spannendere Teil. Zum einen, weil es um das Recht geht, um
den Rechtsstaat und darum, dass es die Verfassung ist, welche das
Einzige ist, was die USA von den Gegnern jenseits des Eisernen Vorhangs
unterscheidet, wie Donovan einem CIA-Agenten erklärt. Zum anderen aber
auch, weil Mark Rylance diesen völlig emotions- und illusionslosen
Sowjetagenten großartig spielt. Rudolf Abel ist dank ihm die bestimmende
Rolle dieses Films, in jeder Szene, in der er zu sehen ist, richten sich
die Augen automatisch auf ihn. Tom Hanks ist gut wie immer, Scott
Shepherd gibt einen überzeugenden CIA-Agenten ab. Und auch Amy Ryan als
Donovans Frau macht ihre Sache gut. Das Drehbuch stammt übrigens zu
großen Teilen von den Coen-Brüdern, die auf ihre üblichen skurrilen
Einfälle dieses Mal jedoch verzichtet haben.
"Bridge of Spies" vermischt Elemente des Justizdramas mit denen des
Agententhrillers. Das könnte tatsächlich ein Problem sein, wenn es da
nicht diese Meta-Ebene gäbe. Jeder Mensch ist wichtig.
Geschrieben am Mittwoch 02 Dezember 2015 um 17:12 von Roland Freist
Unter den Stummfilm-Komikern war Buster Keaton schon immer mein Favorit.
Mir gefielen sein lakonischer Stil, der trockene Humor, ich mochte seine
Pokerface und seine strikte Weigerung, dem Mund auch nur zur Andeutung
eines Lächelns zu verziehen. Es gibt eine berühmte Szene, die auch im
Video gezeigt wird, in der man ihn vor die Entscheidung stellt, entweder
zu lachen oder erschossen zu werden. In seiner Verzweiflung drückt er
seine Mundwinkel mit den Fingern nach oben. Großer, selbstironischer
Humor.
Im folgenden Film zeigt der Filmemacher und Journalist Tony
Zhou, was den speziellen Humor und den Stil der visuellen Komik von
Buster Keaton ausmacht und wie er bis heute aktuelle Kinoproduktionen
beeinflusst.