Geschrieben am Samstag 28 Juli 2012 um 17:23 von Roland Freist
Batman gegen Bane
Eigentlich müsste der Titel ja "Bruce Wayne Rises" heißen, denn von
Batman ist die meiste Zeit nichts zu sehen. Stattdessen stellt der Film
eine geschlagene Stunde lang neue und alte Gesichter vor. Neu ist die
Meisterdiebin Selina (Anne Hathaway), die sich schon bald als Catwoman
entpuppt. Neu dabei ist auch Miranda (Marion Cotillard), eine reiche
Investorin, die unbedingt mit Bruce Wayne in Kontakt kommen will. Der
jedoch ist nahezu unerreichbar. Nachdem Batman am Ende von "The
Dark Knight" den Mord an Harvey Dent auf sich genommen hatte,
ist Wayne nicht mehr aus dem Haus gegangen. Seine Gelenke sind kaputt,
er geht am Stock, und nur noch sein treuer Diener Alfred, wie immer
gespielt von Michael Caine, hat noch regelmäßig Kontakt mit ihm. Selbst
Lucius Fox (Morgan Freeman), der geniale Entwicklungsleiter von Wayne
Enterprises, hat ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Bruce Wayne/Batman
wird andererseits aber auch nicht mehr gebraucht: Seit die Mafia besiegt
ist und das Strafrecht so verschärft wurde, dass es keine
Berufungsverhandlungen mehr gibt, sind praktisch alle Kriminellen von
Gotham City hinter Schloss und Riegel.
Das ändert sich erst, als ein neuer, gefährlicher Gegner auftaucht: Bane
(Tom Hardy) ist ein muskelbepackter Koloss mit einer mysteriösen
Atemmaske, die seine Stimme verzerrt. Nachdem Selina an Batmans
Fingerabdrücke gekommen ist, wissen die Bösen auch, wer sich hinter der
Fledermaus-Maske versteckt. Zusammen mit seiner Bande überfällt er die
Börse und manipuliert die Kurse so, dass Wayne Enterprises reif ist für
eine feindliche Übernahme. Nur mithilfe von Miranda kann Wayne
verhindern, dass ihm seine Firma abgenommen wird. Im Gegenzug muss er
allerdings das Geheimnis um seine Forschungen aus den letzten Jahren
lüften: Lucius Fox hat einen Fusionsreaktor entwickelt, der sich auch
als Atombombe eignet.
Bane macht nun einen Punkt nach dem anderen gegen Bruce Wayne/Batman.
Bei einem Zweikampf zertrümmert er nicht nur seine Maske, sondern bricht
ihm schier das Rückgrat. Den besiegten Bruce Wayne wirft er in einen
weit entfernten Kerker, aus dem es bislang nur ein sagenumwobenes Kind
herausgeschafft hat. Er sperrt die gesamte Polizei von Gotham in den
U-Bahn-Tunneln unter der Stadt ein. Commissioner Gordon (Gary Oldman)
liegt ohnehin schwer verletzt im Krankenhaus. Bane reißt sich Bruce
Waynes Batmobil-Fuhrpark unter den Nagel und stiehlt zudem den
Fusionsreaktor. Er befreit alle Häftlinge aus den Gefängnissen, riegelt
die Stadt ab, sprengt die Brücken – es ist unschwer zu erkennen, dass es
sich um Manhattan handelt – und lässt den Reaktor ständig in
geschlossenen LKWs durch die Straßen fahren. Dann erpresst er den Staat:
Wenn nur eine Person Gotham verlässt oder in die Stadt hereinkommt, wird
er die Bombe zünden. Er fordert die Bürger zum Aufstand gegen die
Herrschenden auf: "Holt euch eure Stadt zurück."
An diesem Punkt vermittelt der Film ein Gefühl der Beklemmung und
Hoffnungslosigkeit. Batman ist besiegt, Bruce Wayne verschollen. Alfred
hatte ihn bereits zuvor im Streit verlassen. Bane hat auf ganzer Linie
gesiegt. Er hat seine Rache bekommen an einer Gesellschaft, die seine
schwangere Mutter in den Kerker geworfen hatte, in dem er zur Welt kam.
Er ist eine furchteinflößende Gestalt, stark, brutal, gefühllos und
intelligent. Bane scheint keine Schwachstelle zu haben und ist absolut
Herr der Lage. Seine machtlosen Gegner nennen ihn einen "Warlord".
Regisseur Christopher Nolan thematisiert in seinen Batman-Filmen immer
wieder den Unterschied zwischen Recht und Gesetz. Dieses Mal wird im
besetzten Gotham City ein Tribunal errichtet, geleitet von Dr. Jonathan
Crane/Scarecrow (Cillian Murphy), den wir schon aus den ersten beiden
Teilen der Batman-Trilogie kennen. Einen fairen Prozess hat hier niemand
zu erwarten: "Das Urteil steht schon fest, es geht nur noch um das
Strafmaß", erklärt Scarecrow in surrealistischen Szenen von einer absurd
hohen, aus Müll gebauten Richterplattform herab den Angeklagten. Der
Aufstand gegen das Establishment, den Bane propagiert hatte, ist wie in
der französischen Revolution zu einer Schreckensherrschaft verkommen.
Und Commissioner Gordon deutet bereits in einer frühen Szene an, dass es
bei den Verhaftungen in der Unterwelt von Gotham nicht immer korrekt
zuging, und erklärt dem jungen Polizisten Blake (Joseph-Gordon Levitt),
dass Gesetze manchmal auch Fesseln sein können, die eine wirksame
Strafverfolgung verhindern. Darüber müsse man sich dann eben
hinwegsetzen. Auf diese Weise wurde die Verbrechensrate in Gotham zwar
nahezu auf null gesenkt. Die Tribunal-Szenen andererseits zeigen, was
geschieht, wenn Gesetze konsequent ignoriert werden.
"The Dark Knight Rises" ist nicht mehr ganz so gut wie der zweite Teil.
Bane gibt zwar einen überzeugenden Bösewicht ab, der von Heath Ledger so
spektakulär interpretierte Joker war jedoch eindrucksvoller. Zweimal
geraten Batman und Bane direkt aneinander, und beide Male habe ich mich
gefragt, ob es nicht klüger wäre, einen solchen Typen mit einer
Schusswaffe in Schach zu halten anstatt sich auf einen Faustkampf mit
ungewissem Ausgang einzulassen. Der Joker war so gesehen der
gefährlichere Gegner – er arbeitete mit Psychologie, suchte nach den
Schwächen seiner Gegner, spielte niemals fair und war vor allem
unberechenbar. Bane dagegen hat einen Plan, der zumindest in Grundzügen
vorhersehbar ist, und vertraut ansonsten einfach darauf, dass er in
jedem Kampf immer der Stärkere sein wird.
Auch ist die Einleitung zu lang geraten. Nolan versucht, alle
Geschichten und Figuren der ersten beiden Teile einzubinden und muss
zudem noch eine ganze Reihe weiterer Personen integrieren. Das dauert
seine Zeit, führt zu vielen tiefsinnigen Gesprächen und verhindert
einfach, dass man das bekommt, was man haben will, nämlich Batman, der
mit Batmobil, Motorrad und anderen technischen Gadgets die Bösen
dingfest macht. Völlig überflüssig und sogar etwas störend wirkt die
aufgewärmte Geschichte von der Gesellschaft der Schatten und ihrem
Anführer Ra’s Al Ghul, die bereits in "Batman
Begins" nicht überzeugen konnte.
Trotzdem ist "The Dark Knight Rises" natürlich ein außergewöhnlicher
Film, gedreht von einem Regisseur, der weiß, wie man ein dreistelliges
Millionenbudget effektiv einsetzt. Erstklassige Schauspieler – Anne
Hathaway gibt eine überzeugende Catwoman ab –, eine insgesamt dann doch
interessante Story mit einigen überraschenden Wendungen sowie nicht
zuletzt die phantasievollen, grandiosen Action-Sequenzen ergeben
zusammen einen unterhaltsamen Blockbuster mit mehr Tiefgang als an und
für sich notwendig wäre. Bloß Batman hätte man gern ein wenig öfter
gesehen.
Geschrieben am Dienstag 24 Juli 2012 um 17:32 von Roland Freist
Josh Cooley
arbeitet im Hauptberuf bei Pixar, hat aber nebenbei auch eigene Projekte
laufen. Eins davon ist "Movies R Fun", eine Bilderreihe mit Szenen aus
mehr oder minder berühmten Filmen, die er Ende letzten Jahres als Buch
veröffentlicht hatte. Das Buch ist mittlerweile ausverkauft, jetzt
gibt's die Bilder nur noch im Internet zu sehen.
Geschrieben am Freitag 13 Juli 2012 um 22:45 von Roland Freist
Story? Welche Story?
Die Chefetage ist immer ganz oben. So auch hier in "The Raid". Es geht
um ein heruntergekommenes Hochhaus, irgendwo in einer
pazifisch-asiatischen Großstadt, Näheres erfährt man nicht. Oben, im 15.
Stock, wohnt ein Drogenboss und betreibt dort ein Labor. Unten steht
eine Spezialeinheit der Polizei und will den Mann aus dem Verkehr
ziehen. Gefangene sollen nach dem ausdrücklichen Willen ihres
weißhaarigen Sergeants (der in manchen Einstellungen dem Comedian Steve
Martin irritierend ähnlich sieht) nicht gemacht werden. Bis zum fünften
Stock geht alles gut. Dann, im sechsten Stock, wird die Truppe entdeckt.
Es beginnt ein Kampf mit automatischen Waffen, die jedoch schon schnell
durch Macheten und blanke Fäuste ersetzt werden. Schon bald ist nur noch
ein kleiner Trupp Polizisten übrig, der verzweifelt um sein Leben
kämpft. Ihre stärkste Waffe ist Rama (Iko Uwais), der einen Bösen nach
dem anderen niederstreckt. Aber allein hat auch er kaum eine Chance
gegen die immer neuen, nachrückenden Gegner.
Die Story des Films, wenn man denn überhaupt von einer sprechen kann,
ist simpel. Von den Charakteren erfahren wir so gut wie nichts. Rama hat
eine schwangere Frau, ist stolz auf seinen Beruf und lässt sich nicht
bestechen. Zweifellos ein Held. Die Bösen sind einfach nur Söldner und
Hausbewohner, die zur anderen Seite gehören.
Was "The Raid" vorführt, ist Kampf und Gewalt, nackte, brutale Gewalt.
Der Film balanciert knapp am Splatter vorbei, blendet die blutigsten
Szenen erst im allerletzten Moment aus, die Köpfe, die an die Mauern
geschlagen werden, die mit Messern und Macheten zerstückelten Körper.
Ohne Story und ohne Figuren, für die man irgendein Interesse aufbringt,
könnte das sehr schnell langweilig werden. Doch die Kameraführung und
die Kampfszenen verhindern das.
Der Film besitzt eine unglaubliche Kraft und Energie. Die sehnigen
Körper der Kämpfer springen bei ihren Schlägen wie Stahlfedern
auseinander. Die Choreographie ist hart, schonungslos und präzise, die
Handkamera kreist um die Darsteller, um nur ja jede Bewegung
einzufangen, jeden Faustschlag und jeden Tritt, jeden Hebelgriff und
jede Beinschere. Die Schläge und Griffe wechseln sich mit einer
ungeheuren Geschwindigkeit ab. Anders als bei vielen anderen
Martial-Arts-Filmen, bei denen die Kämpfe von einem Metronom gesteuert
zu sein scheinen, sieht man in "The Raid" wilde Tänze, die vor Ideen
schier explodieren.
"The Raid" ist martialisch und gewaltverherrlichend. Mit seiner groben
Körnung, den dunklen Bildern und scharfen Kontrasten erinnert er an
Cop-Filme aus den 60er und 70er Jahren. Frauen spielen in dieser Welt
keine Rolle, die Hauptfiguren leisten sich keinerlei Schwächen. In
seiner Härte und Kompromisslosigkeit ist er gleichermaßen abstoßend und
faszinierend. "The Raid" gehört zu der Sorte von Filmen, die kaum einer
gesehen hat, und die dennoch oder vielleicht gerade deshalb nach einigen
Jahren als Kult gehandelt werden.
Geschrieben am Freitag 06 Juli 2012 um 22:14 von Roland Freist
Im Stau
Mit dem Auto zum Friseur zu fahren, ist in Manhattan eine der
schlechteren Ideen, vor allem, wenn gleichzeitig der Präsident in der
Stadt ist und die Maßnahmen zu seinem Schutz wie konzentrische Kreise
von seinem Standort aus den Verkehr lahmlegen. Doch trotz der Warnungen
seines Bodyguards (Kevin Durand) besteht Eric Packer (Robert Pattinson)
darauf, per Stretchlimo zum Haareschneiden kutschiert zu werden, quer
durch die Stadt. Packer ist ein junger Multimillionär, wahrscheinlich
sogar Milliardär, der sein Geld an der Wallstreet mit
Währungsspekulationen gemacht hat. Doch zuletzt lief es nicht gut. Er
hat auf einen Absturz des chinesischen Yuan gesetzt, aber wie es
aussieht, hat er sich getäuscht. Jeden Tag verliert er Hunderte
Millionen Dollar.
Die Limo kommt nur langsam voran, sie schiebt sich durch den
Straßenverkehr wie durch eine Waschstraße. Immer wieder nimmt Packer
Leute mit, seinen Experten für Computer-Sicherheit (Jay Baruchel), seine
Kunstagentin (Juliette Binoche), mit der er im Auto auch Sex hat, oder
eine Beraterin aus seiner Firma. Ein paar Mal lässt er auch anhalten und
trifft sich mit seiner Frau Elise (Sarah Godon), die mit öffentlichen
Verkehrsmitteln erheblich schneller ist als er.
Die Limo ist eine abgeschlossene Welt, luxuriös ausgestattet, gegen
Außengeräusche gedämpft und gepanzert. Durch die Fenster sieht man die
Welt im Schneckentempo vorbeiziehen. Innen sitzt Eric Packer wie auf
einem Thron und führt pseudophilosophische und über weite Strecken
sinnfreie Gespräche mit seinen Besuchern. Er ist kalt und gefühllos,
Robert Pattinsons Vampirblässe prädestiniert ihn quasi für diese Rolle.
Zunächst kaum merklich setzen parallel zueinander mehrere Entwicklungen
ein: Außerhalb des Wagens lauert eine diffuse Gefahr auf Eric. Während
zunächst nur von einer allgemeinen Bedrohung die Rede ist, wird im Laufe
der Fahrt immer deutlicher, dass ein Attentäter auf ihn wartet.
Gleichzeitig wird die Limo immer stärker beschädigt, vor allem beim
Durchfahren eines Demonstrationszugs. Der zunächst glänzend saubere,
weiße Wagen, der noch am Morgen perfekten Schutz zu bieten verspricht,
ist am Schluss ein Wrack, mit Graffiti besprüht, mit zerbeulten
Kotflügeln und klemmender Tür. In einer der letzten Szenen im Auto
uriniert Eric auf den Boden. Der ihn umgebende Panzer ist beschädigt
worden, zum Schluss muss er ihn verlassen. Und auch mit Eric geht eine
Veränderung vor, er wird unsicherer und zeigt Gefühle. Als er
schließlich am späten Abend den Friseurladen erreicht, hat der schon
längst geschlossen. Doch der Besitzer lässt ihn trotzdem noch herein,
und es ist, als würde Eric nach Hause kommen. Und das ist immer noch
nicht das Ende der Geschichte.
"Cosmopolis" ist ein langatmiger und, wegen der absurden Dialoge, auch
über weite Strecken ein sehr ermüdender Film. Fast alles, was geschieht,
scheint ein Bild für etwas zu sein, nichts passiert einfach so. Es gibt
einige sehr groteske Dialoge und Szenen, etwa wenn sein Hausarzt
zusteigt und seine Prostata abtastet, während Eric sich mit seiner
Beraterin unterhält. Hier und genauso bei einer sehr surrealen Szene, in
der eine aufgebrachte Menschenmenge den Wagen demoliert und umzukippen
versucht, während die Insassen weiter über die Zukunft philosophieren,
ohne dem Protest auch nur die geringste Beachtung zu schenken – in
diesen Szenen erkennt man die Handschrift von Regisseur David
Cronenberg, sein Interesse an sich verwandelnden und deformierten
Körpern. Doch letztlich ist das alles zu abgehoben, als dass es einen
tatsächlich interessieren würde.
Geschrieben am Montag 02 Juli 2012 um 15:56 von Roland Freist
Der aus Schweden stammende Künstler Anders Ramsell hat die ersten 13
Minuten des SciFi-Klassikers "Blade
Runner" mit 3285 Aquarell-Bildern animiert und mit dem O-Ton
unterlegt. Und er plant, auch den Rest des Films auf Papier zu bringen.
Das wäre dann ein schönes Geburtstagsgeschenk für den Film, der vor
genau 30 Jahren in die Kinos kam.