Geschrieben am Sonntag 31 Mai 2015 um 18:16 von Roland Freist
Julian Palmer von den Produktionsfiirma 1848
Media zerlegt in diesem Video die Strandszene aus Steven Spielbergs "Der
weiße Hai" in ihre Einzelteile. Einstellung für
Einstellung zeigt er, wie Spielberg die Spannung aufbaut und dabei
Mittel nutzt, wie sie vor allem von Alfred Hitchcock entwickelt wurden.
Szenen aus anderen Spielberg-Filmen illustrieren, dass er diese Effekte
auch in späteren Jahren immer wieder gerne verwendete.
Geschrieben am Freitag 15 Mai 2015 um 19:28 von Roland Freist
Das Beste kommt zum Schluss
Wenn eine erfolgreiche Actionserie aus früheren Jahrzehnten wiederbelebt
wird, erwartet man nicht viel. Die Massen von Sequels und Prequels, die
in den letzten Jahren die Kinosäle erreichten, haben größtenteils
gezeigt, dass es Hollywood bei den Reihen nur darum geht, aus einem
Stoff auch noch den letzten Dollar herauszuquetschen. Die Qualitätskurve
weist jedoch nur in eine Richtung, nämlich nach unten. Ausnahmen wie
"Fast & Furious", wo es zwischendurch auch bessere Filme gab, sind nur
eine Bestätigung für diese Regel.
Das Gleiche war für den neuen "Mad Max" zu befürchten. Ich persönlich
hielt den ersten
Film der Reihe immer für den besten, ein Genre-Klassiker mit einem
jungen, noch unverbrauchten Mel Gibson. Teil 2 und 3 fielen dagegen ab,
und nachdem in "Jenseits
der Donnerkuppel" Tina Turner "We don’t need another hero"
gesungen hatte, war dann auch zu Recht Schluss. Aber da hatte ich
Regisseur George Miller unterschätzt: 30 Jahre lang hat er für das
Projekt gekämpft, während er zwischendurch Sachen wie "Schweinchen
Babe in der großen Stadt" drehte. Und jetzt meldet er sich
mit einem echten Hammer zurück. "Mad Max: Fury Road" ist der bislang
beste Titel aus dieser Serie, besser selbst als Teil 1.
Die Handlung reduziert sich im Wesentlichen auf eine wahnwitzige
Verfolgungsjagd durch die australische Wüste (gedreht wurde allerdings
auch in Namibia und Südafrika). Mad Max, der Ex-Polizist Max
Rockatansky, gespielt von Tom Hardy ("The
Dark Knight Rises"), wird von einer Kolonie um den Warlord
Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) gefangengenommen. Als einer seiner
Offiziere, nämlich die von Charlize Theron gespielte Imperator Furiosa,
seine fünf Frauen aus ihrem Sklavendasein befreit und mit einem
Tanklastzug abhaut, schickt er seine halbe Armee hinterher, die Mad Max
als eine Art lebende Blutkonserve mitnimmt. Der kann sich allerdings
befreien und wechselt auf die Seite der Verfolgten.
Diese Geschichte wird in etwa zehn Minuten erzählt. Der Rest der Films
besteht aus einer fulminanten Verfolgungsjagd, unterbrochen nur durch
eine etwa 15-minütige Ruhepause, während der der Zuschauer etwas
durchatmen kann. In der restlichen Zeit geht es im ICE-Tempo voran. Den
Rhythmus gibt die Militärkapelle von Immortan Joe vor, eine
Heavy-Metal-Band, die auf einem eigenen Wagen mitfährt und aus einem
Gitarristen besteht, aus dessen Instrument Stichflammen schießen, sowie
aus vier Schlagzeugern, die auf gewaltige Becken eindreschen.
Die restlichen Militärfahrzeuge sind eine wilde, halb verrostete
Mischung aus Monstertrucks, Tanklastwagen, Kettenfahrzeugen, Motorrädern
und alten Limousinen, die so abenteuerlich zusammengeschweißt wurden,
dass sie aussehen, als wäre ihre Umwandlung zum Alien auf halbem Wege
abgebrochen worden. Doch so schrottreif diese Karren auch aussehen, man
erkennt doch die Liebe zum Detail, die die Set-Designer hineingesteckt
haben. Es sind fantastische Konstruktionen, bewehrt mit Panzern,
Stacheln und gewaltigen Waffenarsenalen, ihre Motoren werden mit
Nitro-Spritzern auf Touren gebracht. Auch bei den Angriffen auf den
flüchtenden Truck ist in jeder Einstellung der Wille zur Perfektion
spürbar. George Miller und seinem Kameramann John Seale gelingen dabei
Bilder von einer ungeheuren archaischen Kraft. Die 3D-Darstellung ist
allerdings mal wieder überflüssig und bringt keinen zusätzlichen Effekt,
sie legt nur einen leichten Grauschleier über die Szenen.
Doch auch Actionfilme funktionieren nur dann, wenn dem Zuschauer
Gelegenheit gegeben wird, sich in die handelnden Charaktere
hineinzuversetzen, mit ihnen mitzufiebern. Das gelingt hier
ausgezeichnet. "Mad Max: Fury Road" gibt genau so viel von den
Hauptpersonen preis, dass man versteht, was sie antreibt und was in
ihnen vorgeht. Tom Hardy gelingt ein überzeugender Mad Max, er spielt
ihn als wortkargen, von Selbstzweifeln und Albträumen geplagten
Einzelgänger. Allerdings besitzt Hardy nicht das Charisma, das einst Mel
Gibson auszeichnete. Ihre Ausstrahlung ist jedoch mittlerweile die
Stärke von Charlize Theron. Zwar ist sie mit Stoppelfrisur und
ölverschmiertem Gesicht kaum wiederzuerkennen, dennoch sie besitzt sie
eine Präsenz, die sie zu einer echten Co-Hauptdarstellerin macht.
"Fury Road" ist vermutlich der beste Actionstreifen des Jahres, mit viel
Spaß und unter souveräner Beherrschung der filmischen Mittel gemacht von
echten Könnern. Zugleich bildet er eine Weiterentwicklung der alten
Reihe, der Fokus liegt nicht mehr so sehr auf der Hauptfigur, sondern
verlagert sich auf die Darstellung einer ganzen Gruppe von Personen und
ihres Kampfs ums Überleben. Für Actionfans ist der Film ein Muss.
Geschrieben am Freitag 01 Mai 2015 um 23:14 von Roland Freist
Mit Kulleraugen zum Glück
"Die 50er waren eine großartige Zeit – wenn man ein Mann war". Mit
diesem Satz und den Bildern einer amerikanischen Hausfrau, die ihre
Koffer packt und gemeinsam mit ihrer Tochter das Haus verlässt, beginnt
der neue Film von Tim Burton. Und der unsichtbare Erzähler erklärt
weiter, dass es zu dieser Zeit nicht üblich war, dass eine Frau ihren
Mann sitzen ließ. Damit ist das Thema dieses Films abgesteckt, obwohl es
auch noch eine andere Geschichte gibt.
Es geht um Margaret D. H. Keane, eine bis heute aktive Malerin, die in
den späten 50er Jahren begann, Bilder von Straßenkindern zu malen und
sie mit sehr großen Augen auszustatten. Sie wird gespielt von Amy Adams ("American
Hustle"), in einer der besten Rollen ihrer Karriere. Nachdem
sie sich von ihrem Mann getrennt hat, zieht sie nach San Francisco,
nimmt einen Job als Dekorateurin in einer Möbelfabrik an. Nebenbei malt
sie und versucht, ihre Werke auf Straßengallerien zu verkaufen, meist
ohne viel Erfolg. Dort lernt sie jedoch Walter Keane (Christoph Waltz)
kennen, der ebenfalls Gemälde anbietet, allesamt Straßenansicht von
Paris. Schon bald heiraten sie.
Keane ist ein Marketing- und Verkaufsgenie. Er mietet die Wände eines
Jazzklubs an, um seine und die Bilder seiner Frau auszustellen, und
bemerkt sehr schnell, dass die kitschigen Bilder seiner Frau erheblich
Kunden anziehen. In seiner Ehre gekränkt, gibt er sie als seine eigenen
Werke aus und erklärt ihr das mit den Worten "Bilder von Frauen
verkaufen sich nicht", was in der damaligen Zeit vermutlich sogar
stimmte. Schon bald blüht das Geschäft, wenn auch einige Kunstkritiker
die mindere Qualität der Porträts bemängeln. Ausstellungen werden
organisiert, berühmte Persönlichkeiten kaufen die Bilder. Die Keanes
verdienen viel Geld. Und sie machen noch mehr Geld, als Walter
feststellt, dass sich zwar viele Menschen für die Gemälde interessieren,
sie sich jedoch nicht leisten können. Also beginnt er, massenhaft Kopien
drucken zu lassen, und verkauft sie für wenige Cent. Margaret und er
werden reich und können sich eine prachtvolle Villa im Grünen leisten.
Noch immer glaubt alle Welt, dass die Bilder von Walter stammen. Sogar
Margarets Tochter Jane, die sie mit in die Ehe gebracht hat, redet das
Ehepaar ein, dass ihr Stiefvater der Künstler ist. Margaret macht einige
schwache Anstalten, die wahren Verhältnisse aufzuklären, doch immer
wieder kann Walter sie überzeugen, alles so zu lassen wie es ist. Bei
den Vernissagen sonnt er sich im Ruhm, während sie unbeachtet in der
Ecke steht. Doch mehr und mehr wird ihr klar, dass er nicht nur die
Öffentlichkeit belogen hat, sondern auch ihr nicht die volle Wahrheit
über sich erzählt hat. Und Schritt für Schritt löst sie sich von ihm.
Der Film funktioniert auf mehrere Ebenen. Zum einen als Biopic einer
Künstlerin, die es mit ganz entsetzlichen Bildern zu Ruhm und viel Geld
gebracht hat. Aus der Wikipedia ist zu erfahren, dass Tim Burton ein Fan
von Margaret Keane ist und in den 90er Jahren sogar ein Porträt seiner
damaligen Freundin Lisa Marie, einem Fotomodell, bei ihr bestellte (hier
ein Foto
von ihr mit dem Gemälde, hinter der Leinwand schaut Tim Burton hervor).
Zum zweiten geht es um die Frage, was Kunst eigentlich ist und was einen
Künstler ausmacht. Einige Jahre nach Margaret Keanes Anfängen malte Andy
Warhol eine Suppendose und erklärte sie zur Kunst. Er soll übrigens auch
erklärt haben, dass die Bilder von Keane hervorragend seien, immerhin
würden viele Leute sie mögen. "Big Eyes" zeigt auch, wie Margaret
darunter leidet, dass ihr ihre Gemälde weggenommen wurden. Sie sind ein
Teil ihrer Identität, die ihr nun fehlt. Das enge Verhältnis zwischen
Künstler und Werk wird auch dadurch demonstriert, dass Walter,
angesprochen auf seine Gedanken bei der Entstehung eines Motivs, keine
Antwort zu geben weiß, denn er ist nicht der Erschaffer dieses Werks.
Schließlich erzählt Tim Burton aber auch die Geschichte einer Frau, die
sich nacheinander gegen zwei Männer durchsetzt, und das in einer
Gesellschaft, in der Männer den Ton angeben. Als sie ihr
Vorstellungsgespräch bei der Möbelfabrik hat, wird sie
selbstverständlich gefragt, ob ihr Mann ihr überhaupt erlaubt habe zu
arbeiten. Und sie setzt sich als Künstlerin durch. Obwohl ihre Bilder
von der ernsthaften Kunstkritik angefeindet werden (und das zu Recht),
obwohl sie auf die Frage nach dem Sinn der großen Augen nicht viel mehr
zu sagen weiß als den abgedroschenen Satz von den Augen als dem Spiegel
der Seele – sie lässt sich nicht beirren. Und auch, wenn sie ihren Stil
später noch einmal ändert, bleibt sie sich doch selbst immer treu.
Amy Adams spielt das hervorragend, all die Unsicherheiten, Verletzungen
und den Stolz dieser Frau. Sie ist bereits seit Jahren eine der besten
amerikanischen Schauspielerinnen, und es ist wirklich bedauerlich, dass
ihr der ganz große Durchbruch noch nicht geglückt ist. Die Bewertung von
Christoph Waltz‘ Leistung ist schwieriger. Er ist ein Schauspieler, der
gerne auf dem schmalen Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Parodie
balanciert und damit eigentlich der perfekte Kandidat für
Tim-Burton-Filme. Hier jedoch zieht es ihn in den ersten drei Vierteln
des Films ein wenig zu stark in Richtung Parodie, was zwar gut zu diesen
– ich kann’s nur noch einmal wiederholen – wirklich lächerlich
kitschigen Bildern passt, andererseits der Geschichte von Margaret Keane
nicht gerecht wird.
"Big Eyes" ist ein sehr guter Film. Hervorheben muss man auch die Arbeit
von Kameramann Bruce Delbonnel ("Die
fabelhafte Welt der Amelie"), auch die Kostüme und die gesamte
Ausstattung sind toll ausgewählt. Was dem Film ein wenig fehlt, ist die
Dramatik. Die Geschichte entwickelt sich größtenteils linear, ohne große
Überraschungen. Die Story ist interessant, und Tim Burton erzählt sie
gut, doch es fehlt der letzte Kick. Trotzdem ist es einer der besten
Filme, die er jemals gedreht hat.