Jason Bourne hat eine Tochter
Wer ist Hanna? Hanna (Saoirse Ronan, laut IMDB spricht man den Vornamen
"Siersche" aus, die Schauspielerin selbst sagt "Sarscha") ist zunächst
mal ein Mädchen von etwa 15 Jahren, das zu Beginn des Films im
finnischen Winter mit Pfeil und Bogen auf Rentierjagd geht. Sie trifft
das Tier mit dem ersten Pfeil, doch es kann sich noch weiterschleppen.
Hanna verfolgt es, stellt es schließlich, entschuldigt sich bei ihm,
weil sie das Herz verfehlt hat, und tötet es kaltblütig mit zwei
Revolverschüssen. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein in Felle
gepackter Mann hinter ihr auf, von dem wir später erfahren, dass er ihr
Vater ist, und ruft "Du bist tot!". Lektion gelernt: Sei bei allem, was
du tust, niemals unachtsam.
Erik Heller, der Vater, gespielt von Eric Bana, ist ein ehemaliger
CIA-Agent, der von seinem Dienst desertiert ist und nun mit seiner
Tochter in einer Holzhütte ohne Strom und fließendes Wasser in Finnland
lebt. Er erzieht sie nicht, sondern bildet sie aus. Lässt sie Sprachen
lernen, Fakten über die Länder der Welt, und vor allem bringt er ihr
Nahkampftechniken bei.
Eines Tages ist Hanna dann schließlich besser als er, schneller und
stärker. Er lässt ihr die Wahl, stellt einen mobilen Peilsender auf den
Tisch und erklärt ihr, dass sie ihn nur einzuschalten brauche, damit man
sie findet. Und nach einigem Zögern legt Hanna den Schalter um. Das löst
beim CIA einen Alarm aus. Marissa Wiegler (Cate Blanchett), die Leiterin
der Organisation, ahnt, von wem das Signal kommen könnte. Sie schickt
mehrere Teams los, um Hanna und Erik zu fangen und auszuschalten, und es
beginnt eine Jagd, die über Marokko und Spanien bis nach Hamburg und
Berlin führt und dort in einem stillgelegten Vergnügungspark endet.
"Wer ist Hanna?" weist Parallelen zu den Jason-Bourne-Filmen
auf: Auch hier ist die Hauptperson das Ergebnis eines fehlgeschlagenen
Experiments des Geheimdiensts, eine Kampfmaschine, die versucht, hinter
das Geheimnis ihrer Existenz zu kommen. Doch dieses Mal ist es ein
schmales, strohblondes Mädchen mit großen, blauen Augen, bleicher Haut
und Sommersprossen, das seine Gegner ohne eine Sekunde zu zögern aus dem
Weg räumt. Da sie jedoch in der weiten finnischen Wildnis aufgewachsen
ist, hat Hanna außer zu ihrem Vater noch nie Kontakt zu anderen Menschen
oder zur Zivilisation gehabt. Sie kennt Musik, Tanz, Freundschaft, aber
auch Elektrizität, Wasserkocher und Internet allein aus dem dünnen
Konversationslexikon, mit dem ihr Vater ihren Unterricht bestritt. Als
sie zum ersten Mal unter Menschen kommt, ist sie wie ein Alien, ein
Wesen von einem anderen Stern, das seine neue Umwelt zu begreifen
versucht. Verzweifelt rekapituliert sie die Texte aus dem Lexikon, doch
die helfen ihr jetzt nicht mehr weiter.
Der Film lässt einige Fragen offen, was okay ist, und beantwortet einige
andere nur in Andeutungen. Einige Details wirken recht unglaubwürdig –
man fragt sich beispielsweise, wie Hanna in wenigen Minuten lernen kann,
mit Computer, Maus und einer Internet-Suchmaschine umzugehen. Aber sei’s
drum. Dafür bekommt man einen gut fotografierten, spannenden
Actionthriller, der allerdings auf die üblichen Explosionen und
Ballereien weitgehend verzichtet und stattdessen die Geschichte seiner
Hauptfigur in den Mittelpunkt stellt. Und Saoirse Ronan spielt diese
Hanna wirklich beeindruckend gut.
Wer aber ist nun Hanna? Die Frage, die der Filmtitel stellt, wird bis
zum Ende nicht beantwortet (das englische Original heißt auch einfach
nur "Hanna"). Und die Tragik von Hannas Geschichte ist, dass die Frage
nach dem Wer oder auch Was im Verlauf des Films immer uninteressanter
wird. Der Zuschauer leidet mit der Hauptperson mit, weil ihm wie ihr
immer stärker bewusst wird, wer sie hätte sein können.
"Wer ist
Hanna?" in der IMDB
Der deutsche Trailer: