Geschrieben am Sonntag 27 Februar 2011 um 11:28 von Roland Freist
Am Vorabend der Oscar-Verleihung werden traditionell die Razzie Awards
verteilt, die Goldenen Himbeeren für die schlechtesten Filme und
Schauspieler der letzten Saison. Im vergangenen Jahr kamen auch noch die
Preise für die schlechtesten Leistungen des Jahrzehnts hinzu (hier
mein Bericht), ein Wettbewerb, den "Battlefield
Earth" von John Travolta sowie Paris Hilton und Eddie Murphy
für sich entscheiden konnten. Zudem gab es das Novum, dass Sandra
Bullock nicht nur eine Goldene Himbeere (für "Verrückt
nach Steve") gewann, sondern am folgenden Abend auch noch einen
Oscar (für "Blind
Side - Die große Chance") mit nach Hause nehmen konnte.
Außerdem ist sie eine der wenigen Preisträgerinnen in der Geschichte der
Razzie Awards, die ihre Himbeere persönlich abholte.
In diesem Jahr sind "Die Legende von Aang" und "Sex and the City 2" die
großen Gewinner. Hier die vollständige Liste:
Geschrieben am Donnerstag 24 Februar 2011 um 22:48 von Roland Freist
A Country for Old Men
Seit ich bewusst Filme sehe, also etwa seit Anfang der 70er Jahre,
wurden neu gedrehte Western immer als Neo-Western bezeichnet. Die Filme
hießen "Heaven’s
Gate", "Young
Guns", "Silverado",
"Erbarmungslos"
oder "Die
drei Begräbnisse des Melquiades Estrada", die Helden waren
entweder gebrochene Charaktere, Anti-Helden also, oder so junge und
lebensfrische Gestalten, wie sie sonst nur in Ritterfilmen auftreten.
Irgendwann Ende der 60er Jahre schien der echte, traditionelle Western
verschwunden zu sein, vielleicht tatsächlich mit dem Italo-Western und "Spiel
mir das Lied vom Tod", wie einige Kritiker damals behaupteten.
Vielleicht war aber tatsächlich das Original von "True
Grit", gedreht 1969, der letzte der wahren Western, der Film,
für den John Wayne seinen Oscar bekam. Dann wäre das nun erschienene
Remake von den Coen-Brüdern der erste echte Western, der zu meiner Zeit
erschienen ist, denn es handelt sich unzweifelhaft um einen Western im
traditionellen Stil. Die Bezeichnung Neo ist hier unangebracht.
Jeff Bridges spielt die Rolle des Marshals Rooster Cogburn, die Rolle
also, die einst John Wayne verkörperte. Er wird von der 14jährigen
Mattie Ross (Hailee Steinfeld) angeheuert, um den Mörder ihres Vaters zu
suchen. Sie sollte eigentlich nur seine Leiche zurück zu ihrer Familie
bringen. Aber da der Tod ihres Vaters niemanden besonders zu kümmern
scheint und die Verfolgung seines Mörders auf der Prioritätenliste des
Sheriffs ganz unten steht, beschließt sie, die Dinge selber in die Hand
zu nehmen. Mit enormer Willenskraft und Durchsetzungsvermögen besorgt
sie sich Geld und überredet damit Rooster Cogburn, dem mutmaßlichen
Mörder Tom Chaney (Josh Brolin) ins Indianergebiet zu folgen, um ihn
festzunehmen und vor ein Gericht zu bringen. Und sie schafft es sogar,
dass der Marshal sie als Begleiterin akzeptiert. Zu ihnen gesellt sich
noch ein Texas Ranger names LaBoeuf (Matt Damon), der Chaney wegen
einiger Verbrechen in Texas ebenfalls auf den Fersen ist und auf die
dort ausgesetzte Belohnung scharf ist.
Obwohl nur als Nebenrolle aufgeführt, ist Mattie Ross die eigentliche
Hauptperson des Films. Sie treibt die Handlung voran, der Film wird
durch ihre Augen erzählt. Für Hailee Steinfeld war es die erste große
Rolle ihres Lebens, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie gerade einmal
13 Jahre alt. Und sie ist wirklich toll, wie sie mit den wesentlich
älteren Männern spricht und ihnen gegenüber auftritt. Sie will
Gerechtigkeit, und man versteht, dass sie damit die Trauer um ihren
Vater zu bewältigen sucht. Die anderen Darsteller stehen ihr in nichts
nach. Jeff Bridges ist immer gut, aber das ist mal wieder eine Rolle, in
die er sich so richtig reinlegen kann. Er gibt einen wunderbaren Rooster
Cogburn ab, alt, versoffen, mit dreckigen Klamotten und fettigen Haaren,
aber mit Ehre im Leib. Matt Damon gelingt es, mit dem prahlerischen
LaBoeuf einen Charakter zu erschaffen, wie man ihn von ihm noch nicht
gesehen hat. Und Josh Brolin kauft man sofort ab, dass sein Tom Chaney
intellektuell völlig überfordert ist, als er erfährt, dass er von einem
14jährigen Mädchen verfolgt wird.
"True Grit" ist nicht der erste Western der Coen-Brüder. Auch "No
Country for Old Men" war einer, allerdings aus der Kategorie
Neo. Damals war die Geschichte irgendwann einfach zu Ende, das Geld war
weg, die Drogen waren weg, und die Hauptdarsteller hatten sich einer
nach dem anderen weitgehend unspektakulär aus dem Film verabschiedet.
Das ist diesmal anders. "True Grit" erzählt eine einfache Geschichte, in
der es um Rache, Recht und Gerechtigkeit geht. Es gibt einen eindeutigen
Anfang und einen eindeutigen Schluss. Die ganze Lust an skurrilen
Erzählungen und Anekdoten, die die Filme der Coens sonst auszeichnet,
sie ist nur als ganz schwaches Echo zu vernehmen, etwa wenn Cogburn dem
Mädchen von seinen gescheiterten Ehen erzählt. Die Charaktere sind,
sagen wir mal, farbig, doch nie übertrieben. "True Grit" ist in gewissem
Sinne das Gegenstück zu "No Country for Old Men". Es ist ein Film, der
den Western ernst nimmt, zwar mit moderner Kameraführung und
Schnitttechnik gedreht, doch mit großem Respekt vor der langen Tradition
des Genres.
Geschrieben am Sonntag 20 Februar 2011 um 20:45 von Roland Freist
Unter dem Felsen
127 Stunden – das ist die Zeit, die Aron Ralston (James Franco) in einer
Felsspalte festsitzt. Freitagabend war er aufgebrochen in die
Canyonlands, einen Nationalpark in Utah. Samstagmorgen fährt er zunächst
mit dem Mountain Bike los, macht sich dann später zu Fuß auf den Weg. Er
trifft zwei Mädchen, begleitet sie ein Stück, bekommt beim Abschied eine
Partyeinladung für den nächsten Abend. Dann geht er allein weiter, passt
einen Moment nicht auf und fällt in besagte Spalte, wobei sich ein
Felsbrocken löst und ihm den rechten Arm einquetscht. In diesem Moment
erscheint der Titel des Films, "127 Hours". Die Uhr läuft.
Ralston hat kein Handy dabei und würde vermutlich ohnehin keinen Empfang
bekommen. Niemand weiß, wo er ist. Auf Tage hinaus wird ihn niemand
vermissen. Die Spalte, in die er gestürzt ist, liegt weit abseits jedes
Weges, es ist unwahrscheinlich, dass jemand vorbeikommen wird. Er zieht
und zerrt an seinem Arm. Er hämmert auf den Stein ein, feilt an ihm
herum. Er ist gut ausgerüstet mit Riemen, Karabinerhaken und einem
Kletterseil, damit baut er sich einen einfachen Flaschenzug, um den
Felsbrocken anzuheben. Der jedoch bewegt sich keinen Millimeter.
Allmählich geht ihm das Wasser aus, er trinkt seinen Urin, hat
Halluzinationen. Er sieht seine Eltern vor sich, seine Ex-Freundin.
Dann, nach fünf Tagen fasst er einen Entschluss. Die eingeklemmte Hand
ist längst abgestorben. Ralston hat eine billige Kopie eines Leatherman
Tools dabei. Er bindet seinen Arm ab, bricht sich selbst den Knochen,
klappt das Taschenmesser aus und schneidet den Arm ab. Die rund drei
Minuten dauernde Sequenz, in der der Film diese blutige Prozedur zeigt,
ist nichts für Menschen mit einem empfindlichen Magen. Danach ist
Ralston frei. Nach einigen Stunden Fußmarsch trifft er auf andere
Wanderer, die ihm Wasser geben und Hilfe holen. Aron Ralston überlebt.
"127 Hours" beschreibt eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2003. Die
Geschichte ging damals weltweit durch die Presse, das Ende kann als
bekannt vorausgesetzt werden. Der Film kann seine Spannung daher nicht
aus der Ungewissheit über das Schicksal seines Protagonisten gewinnen,
sondern muss die Zuschauer auf andere Art und Weise bei der Stange
halten. Das gelingt zum einen durch die verschiedenen Versuche von
Ralston, sich zu befreien. Am Anfang packt er seinen Rucksack aus und
überlegt, wie er seine Ausrüstung nutzen kann, um den Felsbrocken zu
bewegen und aus der Spalte zu entkommen. Und der Zuschauer überlegt mit:
Hätte es noch eine andere Möglichkeit gegeben, an die Ralston nicht
gedacht hat?
Gleichzeitig lernen wir Ralston sehr gut kennen. Er hat eine Videokamera
dabei, mit der er seinen Ausflug dokumentiert. Er macht Aufnahmen von
sich selbst, spricht in die Kamera. Vor allem redet er mit seinen
Eltern, entschuldigt sich bei ihnen, will klaren Tisch machen und
diktiert eine Art Testament. Die Halluzinationen nehmen zu, er wird
immer schwächer und weinerlicher. Und dann, in einem seiner letzten
klaren Momente, beschließt er, dass er noch nicht sterben will. Er
erkennt, dass es nur einen Weg gibt, aus dieser Situation
herauszukommen. Er reißt sich zusammen und tut, was getan werden muss.
Der Hauptdarsteller, James Franco, hat derzeit einen Lauf. Er wird für
gute Filme engagiert, in denen er gute Rollen bekommt ("Milk",
"Howl").
Und am 27. Februar wird er zusammen mit Anne Hathaway die Oscars
präsentieren. "127 Hours" ist über weite Strecken ein
Ein-Personen-Stück. Da braucht es einen Schauspieler, dem man gerne
zusieht, damit der Film funktioniert. Und Franco bekommt das hin. Er ist
auch genau der richtige Typ für die Rolle, man kauft ihm den
sportbegeisterten, abenteuerlustigen Großstadtflüchtling sofort ab.
"127 Hours" ist kein Meisterwerk, aber ein durchaus sehenswerter Film.
Man beginnt zu überlegen, ob man selbst in der Lage wäre, in der
gleichen Situation das Gleiche zu tun wie Aron Ralston. Vermutlich eher
nicht, vor allem, da einem der Film plastisch vor Augen geführt hat, mit
welch wahnsinnigen Schmerzen das Durchtrennen einer Armsehne verbunden
ist. Andererseits würde man sich wohl auch nie allein in einem
menschenverlassenen Wüstengebiet herumtreiben. Aber weiß man, was alles
passieren kann?
Geschrieben am Samstag 19 Februar 2011 um 17:22 von Roland Freist
Robert Rodriguez reiht sich ein in der Riege der großen
Videoclip-Regisseuren. Wie vor ihm schon Ridley Scott, Martin Scorsese
oder Alejandro González Iñárritu hat er einen wahrhaft grandiosen
Werbespot gedreht. In der Hauptrolle des im Auftrag von Nike
produzierten Clips ist Kobe Bryant von den LA Lakers zu sehen, einer der
besten Basketball-Spieler der Welt, in den Nebenrollen tauchen Danny
Trejo, Bruce Willis und Kanye West auf. Oh, und natürlich spielt Robert
Rodriguez selbst mit. Zusammen mit Bryant entwirft er in fünf Minuten
Szene für Szene einen wüsten Action- und Horror-Film mit dem Titel "The
Black Mamba" (ein Spitzname, den sich Kobe Bryant selber gegeben hat),
in den die beiden alles reinpacken, was cool ist ̶ wodurch eine
wunderbare ironische Distanz entsteht. Große Klasse.
Geschrieben am Freitag 18 Februar 2011 um 15:18 von Roland Freist
Sprechen wie ein König
In den 30er Jahren geriet die englische Monarchie in eine schwere Krise.
Als König George V. im Januar 1936 starb, ging die Krone zunächst
planmäßig an den ältesten Sohn Edward VIII. über. Der jedoch wurde
bereits seit einiger Zeit vom gesamten Inner Circle der britischen
Monarchie sorgenvoll beobachtet, da er ein Verhältnis mit einer
verheirateten Amerikanerin namens Wallis Simpson unterhielt. Denn es war
ausgeschlossen, dass der englische König eine geschiedene Frau heiraten
könnte. Als daher Wallis Simpson beschloss, sich für ihn scheiden zu
lassen, verzichtete er auf den Thron und dankte am 11. Dezember 1936 ab,
nach gerade einmal zehn Monaten Regentschaft. Nachfolger wurde sein
jüngerer Bruder Albert, der den Namen George VI. annnahm.
Soweit der historische Hintergrund von "The King’s Speech". Der Film
setzt einige Jahre vor diesen Ereignissen an. Die erste Szene zeigt
Albert (Colin Firth) bei der Eröffnung der British Empire Exhibition im
Jahre 1925. Er soll vor einer großen Menschenmenge in ein Mikrofon
sprechen – und es geht nicht. Albert stottert. Er findet keine Worte.
Nach einer langen, quälenden Pause, in der alle Blicke auf ihn gerichtet
sind, kommen ein paar nahezu unverständliche Wörter aus seinem Mund,
dann ist wieder Pause. Albert leidet. Keine Chance, dass dieser Mann
jemals eine Thronansprache halten wird. Aber das wird er ja auch nach
dem damaligen Stand der Dinge niemals müssen.
Unterstützt von seiner Frau Elizabeth (Helena Bonham Carter), die später
als Queen Mum bezeichnet und steinalt wurde, sucht er nach Therapien, um
sein Stottern loszuwerden. Aber es hilft alles nichts. Schließlich stößt
sie auf den australischen Schauspieler Lionel Logue (Geoffrey Rush), der
es mit einer selbstentwickelten Behandlungsmethode versuchen will.
Was dann folgt, ist eine eigenwillige Mischung aus psychologischer
Therapie und praktischen Sprachübungen. Logue besteht darauf, dass
Albert ihn Lionel nennt, er darf ihn dafür Bertie rufen. Die beiden
Männer sprechen auf Augenhöhe miteinander, was laut Logue ein wichtiger
Bestandteil der Behandlung sein wird. Wenn Albert seine Worte nicht
sprechen kann, fordert Logue ihn auf, die Texte zu singen, wodurch das
Stottern unterdrückt wird. Bei einer anderen Übung trainiert der spätere
König sein Zwerchfell, indem er sich auf den Rücken legt, seine Frau
setzt sich auf seinen Bauch, und er hebt sie an. Langsam erzielt er
Fortschritte.
Als Albert schließlich König wird, was er nie wollte und wofür er
eigentlich auch nicht vorbereitet war, gibt es zwei große Ereignisse,
bei denen er in der Öffentlichkeit sprechen muss. Bei der
Krönungszeremonie kommt er noch glimpflich davon, er muss nur einige
wenige Worte sagen. Doch bald darauf beginnt der zweite Weltkrieg, und
der König soll sein Volk übers Radio auf Englands Kriegseintritt
einstimmen. Das ist "The King’s Speech", der entscheidende Moment, auf
den der Film zusteuert (die Original-Rede kann man sich übrigens im Netz
anhören – Link siehe unten).
Und es ist ein ganz ausgezeichneter Film. "The King’s Speech" könnte
schnell zum Tränendrüsendrücker werden, bei dem ganzen Mitleid, das er
für den sprachbehinderten Thronfolger weckt. Doch das tut er nicht.
Verantwortlich dafür sind vor allem der Humor und teilweise auch die
Komik des Films. Zum einen ist Lionel Logue als Australier erkennbar ein
Verächter der Monarchie. Er gibt ständig wunderbar ironische Statements
zur Etikette und den Vorgängen am Hofe von sich. Als ihm Albert vom
Verhältnis seines Bruders zu der verheirateten Wallis Simpson erzählt,
"noch dazu eine Amerikanerin", kommentiert Logue das mit: "Ja,
Prinzessin Wallis von Baltimore – das geht nicht." Aber auch Albert
selbst ist nicht ohne Humor. Vor allem gelingen ihm immer wieder, in
typisch englischer Manier, selbstironische Bemerkungen über sein
Stottern und die langen Pausen, in denen er kein Wort herausbringt. Als
Zuschauer genießt man natürlich auch die Szenen inmitten seiner Familie,
etwa wenn er für seine beiden Töchter Elizabeth und Margaret einen
Pinguin spielt. Die heutige Queen Elizabeth II. hat den Film übrigens
bereits gesehen und soll mit der Darstellung ihres Vaters ganz zufrieden
gewesen sein.
Die Hauptdarsteller spielen durch die Bank grandios. Colin Firth sieht
man die Verspannungen und die Angst vor den großen Auftritten deutlich
an. Gleichzeitig behält er jedoch immer den Habitus des vom Hofpersonal
gedrillten Mitglieds der königlichen Familie bei. Im Zuge der Erfolge im
Kampf gegen das Stottern wird auch seine Haltung ständig sicherer. Als
er zum Schluss die große Aufgabe gemeistert hat, hat er tatsächlich die
Haltung eines Königs.
Geoffrey Rush, der tatsächlich Australier ist, steht Firth kaum nach. Er
ist ein unglaublich wandlungsfähiger Schauspieler, der in "Fluch
der Karibik" einen Piratenkapitän genauso glaubwürdig
verkörpern kann wie in Steven Spielbergs "München"
den strategisch denkenden Mossad-Agenten oder jetzt eben den weitgehend
mittellosen Sprachtrainer, der plötzlich einem Mitglied der königlichen
Familie gegenübersteht. Man spürt, dass Lionel Logue seinen Patienten
mag, sich seine ironischen Bemerkungen jedoch nicht verkneifen kann oder
will. Er durchschaut Albert, versteht, was in einer Situation in ihm
vorgeht und reagiert darauf.
Und Helena Bonham Carter schließlich gelingt es auch in der Rolle der in
Etikette gezwängten Prinzgemahlin wieder, ihren koketten Charme zu
entfalten. Im Vergleich mit früheren Rollen nimmt sie sich zwar etwas
zurück, aber sie entfaltet trotzdem, wie eigentlich immer, eine
ungeheure Leinwandpräsenz. Am schlechtesten schneidet noch die vierte
Hauptperson ab, der von Guy Pearce gespielte Edward VIII., der
schnöselig und oberflächlich wirkt.
Firth, Rush und Carter sind jeweils für einen Oscar vorgeschlagen, und
das sind nur drei von insgesamt zwölf Nominierungen, die der Film
bekommen hat. Und das zu Recht. Denn "The King’s Speech" ist, mehr als
irgendein anderer Film dieser Saison, wirklich großes Kino.
Die BBC hat anlässlich des Films die Original-Rede von George VI. aus
dem Archiv gekramt, digitalisiert und ins Netz gestellt. Sie ist nur
etwa sechs Minuten lang. Man hört deutlich, wie der König mit den
Wörtern kämpft, wie er immer wieder kurze Pausen einlegt, um sein
Stottern nicht zu verraten. Und man hört auch, dass er zu allem
Überfluss auch noch lispelte, was im Film jedoch nicht thematisiert
wird. Hier geht es zu der BBC-Seite
mit der Aufnahme und einigen Erklärungen zur Entstehungsgeschichte.
Geschrieben am Montag 14 Februar 2011 um 18:03 von Roland Freist
In den Nischen der Privatsender finden sich immer wieder echte Perlen
der US-Serienproduktion. Vox hat bereits seit einigen Jahren ein gutes
Gespür für außergewöhnliche Serien gezeigt. Leider ließ es der Sender
oftmals an der notwendigen Werbung fehlen, so dass vieles davon nahezu
unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief. Andererseits können sich
natürlich nur so kleine, exklusive Fanzirkel bilden, deren Angehörige
sich stolz als early adopters fühlen dürfen.
So verhält es sich auch mit "Burn Notice", einer Krimiserie, die Vox am
Montagabend kurz nach 22 Uhr ausstrahlt. Eine Burn Notice ist laut der
Erklärung des eloquenten Protagonisten Michael Westen (Jeffrey Donovan)
eine Art Kündigungsschreiben für Geheimagenten. Das ist dann auch der
Ausgangspunkt der ersten Staffel: Westen wurde nach mehreren Jahren im
Dienst der CIA gefeuert, seine Kreditkarten funktionieren nicht mehr,
seine Identität wurde gelöscht. Der ehemalige Spion sitzt in Miami fest
und schlägt sich Woche für Woche als eine Art Privatdetektiv durch,
allerdings einer der etwas ruppigeren Art. Michael Westen beschattet
keine untreuen Ehepartnern und sucht auch nicht nach entlaufenen
Teenagern, sondern er löst Probleme mit Drogenhändlern, Kidnappern und
dem organisierten Verbrechen. Dabei helfen ihm immer wieder seine
Erfahrung und seine Ausbildung aus der Zeit bei der CIA. Neben dieser
Auftragstätigkeit verfolgt er aber auch ein größeres Ziel: Westen will
wieder zurück zur CIA und versucht herauszufinden, wer ihn aus welchen
Gründen kaltgestellt hat. Das gibt der Serie eine schöne, locker
verfolgte Storyline.
Was "Burn Notice" von anderen Produktionen mit ähnlicher Thematik
abhebt, ist die Ironisierung des Geschehens, die durch Michaels ständige
Kommentare aus dem Off zustande kommt – eine Technik, die so ähnlich
auch "Magnum"
verwendete, das damit Hollywoods schwarze Serie zitierte und teilweise
auch parodierte. Als stünde er vor einer Klasse von CIA-Kadetten,
erklärt Michael Westen in schulmeisterlichem Ton, wie man etwa ein
effektives Verhör durchführt, eine Fabrik ausräuchert, Bomben baut,
Wanzen setzt (Tipp: möglichst im Handy platzieren, so ist schon mal die
Stromversorgung gesichert) oder sich selbst vor Überfällen und Abhören
schützt. So habe ich beispielsweise gelernt, dass Geheimdienste gerne
Wohnungen abhören, indem sie mit einem Laserstrahl die Schwingungen der
Fenster abtasten und wieder in Sprache umsetzen. Was man dagegen tun
kann? Michael Westen empfiehlt, sich bei wichtigen Gesprächen einfach
mit dem Rücken ans Fenster zu lehnen. Dadurch würden die Schwingungen
praktisch vollständig unterdrückt. So einfach ist das. Und weil es so
einfach ist, haben diese Tipps auch etwas sehr Komisches.
Die Serie wäre aber nur halb so gut ohne Michaels kleine Familie. Da ist
zum einen seine Ex-Freundin Fiona (Gabrielle Anwar), ein ehemaliges
IRA-Mitglied, klein, tough, sexy und mit einer Vorliebe für
Sniper-Gewehre und Sprengstoff. Hilfe kommt auch von seinem alten Kumpel
Sam, einem ewig Bier trinkenden Goldkettchenträger mit Kontakten zum
FBI. Sam wird gespielt Bruce Campbell, der in den 80er Jahren als
Hauptdarsteller der "Tanz
der Teufel"-Filme von Sam Raimi Kultstatus erlangte und hier
endlich mal wieder in einer größeren Rolle zu sehen ist. Und schließlich
gibt es da noch Michaels Mutter Madeline, eine kettenrauchende
Frührentnerin, wunderbar voller Besorgnis gespielt von Sharon Gless,
ehemals die blonde Hälfte des Polizisten-Duos "Cagney
& Lacey". Das sind natürlich Charaktere wie aus einem
Comic-Buch, und es besteht die Gefahr, dass die gesamte Serie in eine
oberflächliche Aneinanderreihung von Action-Szenen und coolen Sprüchen
abdriftet. Doch die Drehbuchautoren arbeiten sehr diszipliniert und
halten "Burn Notice" immer in der feinen Balance zwischen einer
ernsthaften Krimiserie und einer Parodie.
In Deutschland zeigt Vox derzeit die dritte Staffel von "Burn Notice",
in den USA ist man bei Staffel Nummer sechs angekommen. Es ist also zu
hoffen, dass die Serie noch eine Weile bei uns zu sehen sein wird.
Geschrieben am Sonntag 06 Februar 2011 um 18:05 von Roland Freist
Nach "We've got company" und "Get out of there!" (die ich hier
bereits vorgestellt hatte) zwei weitere Standardsätze aus dem Wortschatz
von Hollywood-Filmen:
Geschrieben am Mittwoch 02 Februar 2011 um 16:30 von Roland Freist
Ein ganz normales Jahr
In "Another Year" geht es um ein Jahr im Leben eines englischen
Ehepaars, das im Norden von London ein eigenes Haus mit kleinem Garten
bewohnt. Tom (Jim Broadbent) ist Geologe, Gerri (Ruth Sheen)
Psychotherapeutin. Die beiden sind Ende 50/Anfang 60, Intellektuelle,
denen man die Hippie-Vergangenheit schon an der Nasenspitze ansieht. Sie
verständigen sich miteinander oft nur über Blicke oder kleine Gesten,
man erkennt die große Vertrautheit, die zwischen ihnen herrscht. Andere
Menschen behandeln sie gleichbleibend freundlich und rücksichtsvoll, sie
umarmen viel, sind immer kontrolliert, verständnisvoll und ausgeglichen.
Wenn sich jemand in ihrer Umgebung einmal gehen lässt, unfreundlich oder
sogar beleidigend wird, wechseln sie vielsagende Blicke und versuchen,
ihn oder sie mit sanften Worten zu beruhigen. Mit anderen Worten: Sie
können einem gehörig auf die Nerven gehen. Ich hätte mir gewünscht, dass
sie wenigstens einmal "Scheiße" sagen, sich betrinken oder sich sonst
irgendwie daneben benehmen, dadurch wären sie mir deutlich sympathischer
geworden. Passiert aber nicht.
Auf der anderen Seite ist das genau die Stärke dieses Films. Er
erschafft Charaktere, die man mag oder auch nicht mag, über deren
Missgeschicke man sich amüsiert oder die einen mit ihrer Art ganz
hibbelig machen – aber es sind glaubwürdige Charaktere, wie sie jeder
aus seinem eigenen Freundes- und Kollegenkreis kennt. Während sich
andere Filme oft mit einigen wenigen, groben Strichen begnügen, um ihre
Figuren zu zeichnen, nimmt sich der britische Regisseur Mike Leigh in
"Another Year" voller Neugierde die Zeit, immer neue Facetten seiner
Protagonisten erforschen.
Neben Gerri und Tom ist das vor allem Mary (Lesley Manville), die im
gleichen Krankenhaus wie Gerri als Sekretärin arbeitet. Sie leidet an
ihrem Alter und den verpassten Chancen ihres Lebens, zieht sich an wie
eine Dame und benimmt sich wie ein verwirrter Teenager. Und sie trinkt
zu viel. Gerri und Tom nehmen sie genauso an ihrem Küchentisch auf wie
Toms alten Jugendfreund Ken (Peter Wight). Er ist übergewichtig, starker
Raucher, kräftiger Trinker und kämpft ebenfalls mit seinem Alleinsein.
Hinzu kommen noch der Sohn Joe (Oliver Maltman), seine neue Freundin und
Toms Bruder Ronnie, der gerade seine Frau verloren hat. Diese
Beschreibungen hören sich depressiv an, das jedoch ist nicht die
Stimmung des Films. Mike Leigh hat einen sehr schönen britischen Humor,
der das Entstehen von größeren Sentimentalitäten zuverlässig verhindert.
Eine durchgängige Handlung gibt es nicht. "Another Year" beschreibt
Szenen aus dem Leben von Tom und Gerri, geordnet in vier Kapitel, die so
heißen wie die vier Jahreszeiten, in denen sie spielen. Es sind kleine
Erzählungen, eher Anekdoten, die der Film präsentiert, wie etwa die von
dem Auto, das sich Mary für 600 Pfund kauft, um, wie sie sagt, mehr
Freiheit zu gewinnen, und das sie nach diversen Pannen und Reparaturen
für 20 Pfund wieder verkauft, die sie dann in einer Flasche Champagner
anlegt. "Hast du die ganze Flasche getrunken?" fragt Ronnie. Und als sie
bejaht, wirft er ihr einen amüsiert-anerkennenden Blick zu. Das ist
alles nicht spektakulär, und viele Geschichten und Entwicklungen im
Leben der Hauptpersonen sind tatsächlich eher tragisch. Doch "Another
Year" zeigt in der nächsten Szene, dass es dann auch wieder anders
kommen kann.
Der Film beschreibt ein Jahr im Leben der beiden Hauptpersonen, ein
Jahr, wie es zuvor bereits viele gegeben hat und wohl auch noch
weiterhin geben wird. Der Film könnte einfach so weiterlaufen, mit den
gemeinsamen Essen am Küchentisch oder auch draußen am Grill, mit den
großen und kleinen Problemen, die die Verwandten, Freunde und Kollegen
mitbringen, mit den kleinen Witzen und den Anspielungen von Gerri und
Tom. Es ist eine bildungsbürgerliche Idylle, die man als tödlich
langweilig und vielleicht sogar spießig ablehnen mag, und die dennoch
lockt wie ein bullernder Kachelofen im Winter.